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Wir haben Verfassungsbeschwerde gegen das Polizeigesetz in BW eingereicht


Die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) hat mit unserer Unterstützung am heutigen Freitag in Karlsruhe eine Verfassungsbeschwerde gegen das Polizeigesetz Baden-Württemberg eingelegt.

Die GFF kritisiert, dass die Erlaubnis zum Einsatz von Staatstrojanern falsche Anreize für Behörden im Umgang mit IT-Sicherheitslücken setzt. Bei den Sicherheitslücken handelt es sich um technische Fehler in IT-Systemen, über die Schadsoftware eindringen kann, um so Daten auszulesen. Hersteller bemühen sich, solche Schwachstellen durch regelmäßige Updates zu schließen. Seit einer Gesetzesnovelle aus dem vergangenen Jahr darf die Polizei in Baden-Württemberg aber IT-Sicherheitslücken für die Überwachung mittels staatlicher Cyber-Angriffe ausnutzen, statt die Lücken den Herstellern zu melden.

„Solange solche Schwachstellen der Polizei, aber nicht den Herstellern bekannt sind, können zum Beispiel auch Cyberkriminelle auf die Daten aller NutzerInnen der gleichen Soft- oder Hardware zugreifen“, sagt die Juristin Lea Beckmann, die das Verfahren bei der GFF koordiniert. „Das ist unverantwortlich und unvereinbar mit dem staatlichen Schutzauftrag gegenüber seinen BürgerInnen.“

Unter den Beschwerdeführern sind neben uns die Rechtsanwälte Dr. Udo Kauß und Michael Moos, die Journalisten Peter Welchering und Hinnerk Feldwisch-Drentrup, der Freiburger Online-Versandhandel zündstoff sowie die ISP eG, eine Einkaufsgesellschaft für Internet-Service-Provider. Wir sehen uns aus sehr unterschiedlichen Gründen einer hohen Gefahr von Cyberangriffen ausgesetzt. Außerdem müssen wir bei einem Zugriff auch Konsequenzen für Dritte befürchten. Denn sie sind für die Daten ihrer MandantInnen, InformantInnen oder KundInnen verantwortlich. Wir rügen deshalb eine Verletzung der staatlichen Schutzpflicht, die sich aus dem Grundrecht auf Gewährleistung der Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme ableitet (sog. „IT-Grundrecht“).

Die verfassungswidrige Erweiterung der Befugnisse staatlicher Behörden ist in Deutschland kein Einzelfall. Die GFF hat sich deshalb bereits gegen ähnliche Regelungen zu “Staatstrojanern” in der Strafprozessordnung gewendet.

Zur Finanzierung ihrer Verfassungsbeschwerden gegen Polizeigesetze ruft die Bürgerrechtsorganisation GFF die Öffentlichkeit zu Spenden auf. Zur Deckung der Kosten für dieses Verfahren sowie weitere geplante Verfahren gegen ähnliche Regelungen in Polizeigesetzen anderer Bundesländer benötigt die GFF einen Betrag von mindestens 25.000 Euro.

Die von Prof. Dr. Tobias Singelnstein von der Ruhr-Universität Bochum verfasste Verfassungsbeschwerde finden Sie hier.

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. koordiniert und finanziert gerichtliche Verfahren, um die Grund- und Menschenrechte gegen staatliche Verletzungen zu verteidigen. Die GFF setzt sich mit ihren ersten Verfahren beispielsweise für die informationelle Selbstbestimmung, die Informationsfreiheit und die Pressefreiheit ein. Zudem streitet sie für die Freiheit von Diskriminierung. Sie bringt dafür geeignete Kläger und Klägerinnen mit exzellenten Juristen und Juristinnen zusammen, um gemeinsam gerichtlich gegen Rechtsverletzungen vorzugehen. Zu den aktuellen Projekten zählen Verfassungsbeschwerden gegen die automatisierte Passbildabfrage sowie die jüngste Novelle des Bayerischen Polizeiaufgabengesetzes.